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Aufsicht & Rat: Gegen Greenwashing, für Glaubwürdigkeit

Aufsichtsgremien müssen sich mit Nachhaltigkeit zweifach befassen

Tamara Kapeller

Unternehmen können nicht mehr wählen, ob sie beim Thema Nachhaltigkeit „mitmachen“ wollen. Sie sind unmittelbar betroffen. Ob es um die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells, die Dekarbonisierung des eigenen Betriebes inklusive vor- und nachgelagerte Lieferketten, die Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in Investitionsentscheidungen oder den Umgang mit Mitarbeitenden, Kundinnen, Kunden und Gesellschaft geht. Nachhaltige Unternehmensführung wird nicht nur aufgrund rechtlich verbindlicher Vorgaben zur unternehmerischen Verpflichtung.

Somit muss sich auch ein Aufsichtsrat damit befassen. Und zwar doppelt: sowohl mit der Frage wie Nachhaltigkeitsthemen von außen auf das Unternehmen einwirken, als auch damit, wie das Unternehmen Umwelt, Menschen und Gesellschaft beeinflusst. Das Instrument dafür heißt Wesentlichkeitsanalyse. Bei ihrer Erstellung sollte der Aufsichtsrat eine aktive Rolle einnehmen. Denn aus ihr leitet sich die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens ab, die wiederum Einfluss auf die Geschäftsstrategie und ihre Umsetzung haben kann.

Die vermehrten Forderungen nach nachhaltiger Unternehmensführung verleihen auch People & Culture-Themen mehr Bedeutung in der Aufsichtsratstätigkeit. Das beginnt auf der Top-Ebene: die Zusammensetzung der leitenden Gremien muss Diversität, ausreichendes Nachhaltigkeits-Know-how und eine an langfristigen, nachhaltigen Unternehmenszielen geknüpfte Vergütung sicherstellen. Auch Daten zur Vergütung der Mitarbeitenden, Diversität und Inklusion, Aus- und Weiterbildung sowie zur Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben müssen veröffentlicht werden. Dadurch lassen sich Verbesserungspotenziale identifizieren und entsprechende Handlungsfelder für die Geschäftsleitung festmachen.

Hier hat der Aufsichtsrat als Dialogpartner eine wichtige Aufgabe bei der Schwerpunktfindung: In welchen Bereichen sind bis wann Fortschritte zu erzielt? Welche Maßnahmen eignen sich dazu? Wie ist etwas mit einem Gender-Pay-Gap umzugehen? Wie divers sind wir tatsächlich? Stimmen die Versprechen im Recruiting und in Social-Media-Profilen mit der gelebten Praxis überein?

All das ist nicht nur vor dem Hintergrund potenzieller Greenwashing-Vorwürfe wichtig. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit gegenüber (potenziellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und allen Stakeholdern.

Die gute Nachricht für Aufsichtsräte: sie bekommen Rückendeckung. Künftig müssen alle verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichte von Prüfern bestätigt sein. Damit rückt die nichtfinanzielle Berichterstattung näher an die finanzielle. Lediglich der Grad der Prüfpflicht wird limitiert.

Rund 2.000 österreichische und 50.000 europäische Unternehmen werden damit – stufenweise bis 2028 – im Lagebericht des Geschäftsberichts geprüfte und bestätigte Nachhaltigkeitsdaten veröffentlichen. An der bestehenden Prüfpflicht der Aufsichtsräte ändert dies nichts.

Darüber hinaus müssen sich Unternehmen künftig kurz-, mittel- und langfristige Nachhaltigkeitsziele geben. Oder schlüssig erklären, warum sie dies nicht tun. Die Auswahl der Ziele obliegt ihnen selbst.

Auch hier sollte der Aufsichtsrat eine aktive Rolle einnehmen, Ziele müssen messbar, ergebnisorientiert und mit Terminen versehen sein. Und sie sollten für das Unternehmen relevant sein – und aus der Geschäftsstrategie abgeleitet. Sind die Ziele veröffentlicht, ist über ihre Verfolgung laufend zu informieren. Zwar besteht keine gesetzliche Verpflichtung, sie auch zu erreichen, aber einmal veröffentlicht, werden Unternehmen ihre Umsetzung schon allein aus Reputationsgründen betreiben.

Gastkommentar erschienen am 9./10.3.2024 im DerStandard – Bildung und Karriere